Der Fall
Alles war eine Abfolge von Gängen und Treppen, die in viereckige Säle
führten, zu denen andere Gänge und Treppen führten. Jeder Saal war nichts anderes als ein
Schnittpunkt von Gängen, die sich dann in Treppen verwandelten, deren Anstieg
ihrerseits in anderen Gängen endete, die in wieder andere Säle führten. Das Verlaufsspektrum war unendlich.
Die Gänge waren entweder ganz schwarz oder ganz weiss. Die Böden und Decken
waren voller Zeichen ohne Sinn, die von Sprachen stammten, die nicht einmal dem
weisesten der Sterblichen bekannt waren. Jeder Gang hatte seine eigene Ordnung der
Inschriften, die unbegreifliche Formen ohne Zusammenhang bildeten, denen jede
Verbindung fehlte. An den Wänden der
Gänge hingen rahmenlose Bilder; weisse Leinwände, noch ganz rein, ohne jeden
Strich.
Die Treppen gingen immer nach oben und nie nach unten. Die Stufen waren
abwechselnd weiss und schwarz, weiss und schwarz; manchmal schwarz und weiss,
schwarz und weiss. Die Wände trugen
kreisförmige Spiegel, die keine Bilder reflektierten. Die Spiegel hatten keine Rahmen, wie die
weissen Leinwände in den Gängen.
Die Säle hatten weisse Böden und Decken, und schwarze Wände. In der Mitte eines jeden brannte ein Feuer
ohne Flammen, das ein weisses Licht in alle Richtungen verströmte, das keine
Schatten warf. Von den Decken hingen unzählige
Buchstaben, die sich nicht zu Wörtern formen liessen. Alle Säle waren gleich; alle waren alles, und
alle waren nichts.
Aber er wollte Schatten sein, ohne Namen und ohne Sinn, und stieg eine Treppe
hinauf, die zu einem Gang führte, zu einem Saal, zu einer anderen Treppe, zu
einem anderen Gang, zu einem anderen Saal. Er war es leid, immer weiter und weiter zu
steigen. Er war es leid, seinen Namen
nicht zwischen den Zeichen zu finden. Er
war die leeren Bilder leid. Er war es
leid sein Abbild nicht in den Spiegeln zu sehen. Er war das Weiss und Schwarz leid, und das
Schwarz und Weiss. Er war es leid, ohne
Namen und Sinn umherzuirren, immer zu steigen, immer zu steigen.
Er wusste vom Fall und wusste, dass beim Fallen die Gänge, Treppen und Säle
ein Ende haben würden. Er wusste, dass
er niemals mehr aufsteigen würde. Er
wusste, dass der Fall in einem runden türenlosen Raum, mit roten Wänden, rotem
Boden und roter Decke, enden würde. Mit
gerahmten Bildern voller Sinn, und einem grossen flammenden Feuer in der Mitte,
das Schatten in allen Formen und keiner Form warf. Er musste runter und nicht mehr rauf.
Er musste fallen, er musste der Abfolge von Gängen, Treppen, Sälen, Gängen,
Treppen, Sälen, endlich entkommen. Er musste in den roten Raum fallen, um in den
Flammen zu brennen, die seinen Namen in dem goldgerahmten Spiegel gegenüber
formen würden, und so die Wiederspiegelung seiner Seele einmal zu sehen und nie
wieder aufzuwachen.
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